Privat im Unterland übernachten

Im ländlichen Hüsli oder im urbanen Studio

Text: Barbara Gasser & Sharon Saameli
Fotos: Sibylle Meier & Paco Carrascosa
Realisation: Marco Huwyler

Text: Barbara Gasser & Sharon Saameli
Fotos: Sibylle Meier & Paco Carrascosa
Realisation: Marco Huwyler

Als Alternative zu einem der 42 Hotels im Unterland sind private Unterkünfte zunehmend beliebt. Über die Internetplattform Airbnb können Interessierte unter Hunderten Angeboten in der Region auswählen. Der ZU hat vier von ihnen besucht. Ob in direkter Flughafennähe oder mitten in den Rafzerfelder Rebbergen: Die Hosts hatten schon manch skurrile Begegnung in den Unterkünften, die sie temporär an Gäste aus aller Welt vermieten.

Das Hüsli neben dem ländlichen Bauernhof

Die Urgrossmutter von Tabea Welz hat s Hüsli an der Landesausstellung von 1939 gekauft. Seither steht es auf der Weide neben dem Bauernhaus der Familie oberhalb von Oberembrach. «Als Kinder haben wir jeweils dort gespielt. Später haben unsere Freunde dort übernachtet», erzählt sie. Während all der Jahre wurde es gut instand gehalten und später auch renoviert. S Hüsli verfügt über ein Schlafzimmer für zwei Personen mit Küchenzeile und ein Badezimmer. «Unsere Gäste kochen oft selber«, sagt Welz. «Die meisten schätzen die Abgeschiedenheit der Unterkunft, die trotzdem nahe beim Flughafen ist.»

S Hüsli ist erst seit diesem Jahr auch über Airbnb buchbar. Vor drei Jahren hatte sich Tabea Welz entschlossen, mit der Vermietung des Hüsli über Booking.com einen Zusatzverdienst zu generieren. «Damit können wir unser Einkommen aus der Landwirtschaft etwas aufbessern.» Allerdings gebe es auch viel zu tun, die schmucke Unterkunft immer wieder für neue Gäste bereit zu machen. Sie schätzt jedoch die Kontakte mit Menschen aus aller Welt. Viele kommen aus Europa, vor allem aus Deutschland. Welz kann sich nicht an Gäste aus Afrika erinnern, aber aus allen anderen Kontinenten hätten schon Leute im Hüsli übernachtet. Besonders beliebt scheint es bei Reisenden aus Saudiarabien zu sein.

Einmal mussten die Welz die Polizei kommen lassen, weil ein Mann offenbar seiner Ex-Frau gefolgt war, die mit einem anderen Mann im Hüsli die Nacht verbringen wollte. «Es ging strub zu und her. Sogar Geschirr wurde zerschlagen.» Gern erinnert sich die Gastgeberin jedoch an ein Ehepaar aus Frankreich, das kürzlich im Hüsli war. Sie ist Hobbymalerin und hat die Landschaft, wie sie von der Essecke aus zu sehen ist, in einem Aquarellbild festgehalten. «Über dieses Geschenk habe ich mich sehr gefreut.»


«Die meisten schätzen die Abgeschiedenheit der Unterkunft, die trotzdem nahe beim Flughafen ist.»

Tabea Welz kann mit dem Hüsli, das sie auf Airbnb anbietet, das Einkommen aus der Landwirtschaft etwas aufbessern. 

Tabea Welz kann mit dem Hüsli, das sie auf Airbnb anbietet, das Einkommen aus der Landwirtschaft etwas aufbessern. 

Das Studio direkt beim Flughafen

Etwas abseits des Klotener Stadtzentrums, in Richtung Egetswil, lebt Frédéric Wolf. Im Jahr 2000 ist der gebürtige Genfer nach Zürich gezogen, seit 2005 lebt er in Kloten. Dort bietet er sowohl ein Privatzimmer von 18 Quadratmetern mit drei Betten als auch eine ganze Wohnung von 35 Quadratmetern an. «Das Studio hat einen separaten Eingang, einen Balkon sowie Zugang zum Garten», erklärt Wolf.

Dank der unmittelbaren Nähe zum Flughafen, den man vom Einzelzimmer aus sogar sehen kann, ist er ein gut besuchter Gastgeber. «Deshalb habe ich für meine Gäste auch einige Restauranttipps und Sehenswürdigkeiten in der Nähe zusammengestellt», schildert er. Als einer von wenigen Airbnb-Usern bietet er auch eine Minibar an. «Derzeit kommen viele Leute aus den USA zu mir – und oft mit Jetlag. Da ist es schön, wenn ich ihnen etwas anbieten kann.»

Wolfs Ziel: «Ich will die Menschen so empfangen, wie ich selber auf Reisen empfangen werden möchte.» Und: Auf seinem Internetauftritt hält er fest, dass Menschen aller Religionen, jeder Herkunft oder sexuellen Orientierung bei ihm willkommen sind. «Das wäre eigentlich auch in den Airbnb-Richtlinien vorgegeben, aber mir ist es wichtig, es auf der Seite nochmals festzuhalten.» Von seinen Gästen hat er indes in achtzig Prozent der Fälle nicht allzu viel; nur gerade etwa jeder fünfte hat Interesse daran, wie die Schweiz ist. «Dann nehmen wir aber schon auch einen Apéro in der Pergola zusammen», erzählt Wolf. Festgestellt habe er auch, dass Personen aus Südkorea vermehrt reisen würden. Das bringe auch mal kulturelle Konflikte mit sich – vor allem aber sprachliche, wenn die Gäste kein Englisch sprechen.

«Ich will die Menschen so empfangen, wie ich selber auf Reisen empfangen werden möchte.»

Frédéric Wolf lebt in Kloten und legt Wert darauf, dass sich in seinem Studio alle Menschen wohl fühlen.

Frédéric Wolf lebt in Kloten und legt Wert darauf, dass sich in seinem Studio alle Menschen wohl fühlen.

Die Wohnung mitten in den Rebbergen

Evi Fuchs ist noch relativ neu auf Airbnb: Die Wohnung unterhalb ihres Wohnhauses in Hüntwangen ist erst seit Januar 2018 aufgeschaltet. «Seit unsere Kinder ausgezogen sind, ist das eine tolle Gelegenheit, den Raum wieder mit Leben zu füllen», erzählt sie. Das erste Paar, das in der geräumigen Wohnung mit Zugang zur Terrasse wohnte, reiste aus Südkorea an, um die Flitterwochen hier zu verbringen. Fuchs hat die Gelegenheit dann ergriffen und einen Korb mit einer Flasche Champagner für das Paar vorbereitet. «Wir haben uns gerade mal mit Händen und Füssen verstanden», so Fuchs lachend, «und als sie ankamen, haben sie mich angerufen und nur gesagt: ‹Check-in now?›»

Vergangenen Sommer kam dann ein Paar aus Kanada, das berufeshalber in der Nähe von Zürich leben wollte. «Denen gefiel es sehr gut hier, glaube ich», sagt Fuchs. Auch erinnert sie sich an die Buchung einer Firma aus dem Bündnerland. «Dann standen aber plötzlich zwei Männer aus Polen an unserer Tür. Als ich ihnen gesagt habe, dass wir nur ein Doppelbett hätten, meinten sie, das sei kein Problem.»

Erstaunt habe sie auch der Besuch eines Ehepaars aus Saudi­arabien. «Die Frau konnte besser Englisch sprechen als ihr Ehemann, deshalb habe ich vor allem mit ihr gesprochen. Das war überraschend und angenehm. Einmal hat sie sogar auf der Feuerstelle im Garten gekocht – mit einem Topf, den sie aus ihrer Heimat mitgenommen hatte. Ich war dann zum Essen eingeladen», schildert Evi Fuchs.

Diese Kontakte aus aller Welt gefallen ihr sehr, es seien bisher auch nur sehr angenehme Leute bei ihr gewesen. «Extrem viel läuft bei uns nicht – aber wir leben ja nicht davon, weshalb es einfach eine tolle Abwechslung ist.»

«Seit unsere Kinder ausgezogen sind, ist das eine tolle Gelegenheit, den Raum wieder mit Leben zu füllen.»

Die Hüntwangerin Evi Fuchs mag die Kontakte aus aller Welt, die sie über die Vermietung der Wohnung knüpft. 

Die Hüntwangerin Evi Fuchs mag die Kontakte aus aller Welt, die sie über die Vermietung der Wohnung knüpft. 

Die ruhige Wohnung im «Gaggo» von Bülach

Das grosse Haus am Hühnerweg 3 in Bülach steht allein auf weiter Flur, etwas abseits der Weiacherstrasse Richtung Rorbas. «Wir sind im ‹Gaggo usse›», sagt Hausbesitzer Emil Maag. «Aber die Leute schätzen das», wie er festgestellt hat. Er bietet auf Airbnb eine Wohnung an mit fünf Schlafgelegenheiten verteilt auf drei Zimmer, Balkon, Küche und zwei Nasszellen. «Meine Frau und ich machen das erst seit Mai dieses Jahres.» Vorher habe die Wohnung anderthalb Jahre leer gestanden.

Die Idee dazu kam von einer ihrer Töchter, die auf einer Reise durch Australien selber öfter auf diese Art übernachtet hatte. Emil und Mina Maag finden es bereichernd, mit Leuten aus allen Teilen der Welt in Kontakt zu kommen. Weil das Bereitstellen der Wohnung mit erheblichem Aufwand verbunden ist, beträgt die Mindestaufenthaltsdauer zwei Nächte.

Über mangelndes Interesse können sie sich nicht beklagen. Besonders Geschäftsleute finden Gefallen an der Unterkunft. Bereits die ersten Gäste waren solche, die bei der Nagra einen Auftrag hatten. Zweimal seien Physikprofessoren unabhängig voneinander, der eine aus der Slowakei, der andere aus Vancouver, bei ihnen gewesen. Junge Männer aus den USA haben vom Angebot in Bülach profitiert, und als eine Familie mit einem Kleinkind angereist war, organisierten die Gastgeber umgehend ein Babybett. Als Willkommensgeschenk füllt Mina Maag jeweils den Kühlschrank mit allem, was es für ein kleines Frühstück braucht. «Die Wohnung auf diese Art zu vermieten, ist eine spannende Sache», sagt Emil Maag. «Uns gefällt der Austausch mit Menschen, mit denen wir sonst nicht in Kontakt kämen.»


«Uns gefällt der Austausch mit Menschen, mit denen wir sonst nicht in Kontakt kämen.»

Eine der Töchter von Emil und Mina Maag hat in Australien öfter auf die Weise übernachtet. 

Eine der Töchter von Emil und Mina Maag hat in Australien öfter auf die Weise übernachtet. 

© Tamedia