Dienstag ist in Steinmaur Magenbrot-Tag

Pinar Abdullatif mischt Zucker, Mehl, Kakao und Backpulver mit Zimt und Nelkenpulver. Zum Schluss gibt sie Wasser dazu und vermengt das Ganze zu einem zähen Teig. Diese simplen Zutaten bilden die Basis eines Gebäcks, für das die Kunden gerne Schlange stehen. Ein Gebäck, das die gebürtige Irakerin hier in Steinmaur kennen und lieben gelernt hat: Magenbrot. Seit zehn Jahren arbeitet sie in der Backstube von Eglis Hofladen. «Ein Glücksfall», wie Chefin Jolanda Egli sagt. «Ich habe damals bei der Gemeinde angefragt, ob sie jemanden wüssten, der mir in der Backstube helfen könnte», erzählt sie, «und so hat man mir Pinar empfohlen.»

Herbstzeit ist Magenbrotzeit

Nachdem der Teig vermischt ist, streichen ihn die beiden Frauen auf den Blechen aus. Eine klebrige Angelegenheit. Danach schieben sie die Bleche in den Ofen. Pinar Abdullatif stellt das Magenbrot von Oktober bis mindestens Ende November immer montags her. Ist die Nachfrage besonders gross, sorgt sie während der Woche noch einmal für Nachschub. Sie hilft auch bei der Herstellung von Wähen, Sandwiches, Butterbrezeli und vielem mehr, doch für das Magenbrot ist sie die Spezialistin. «Ich esse es auch sehr gerne», sagt sie mit einem Lächeln.

Zwischen Stoffwindeln und Zöpfen

Im Hofladen der Familie Egli werden neben dem eigenen Brot viel süsses Gebäck wie Holländerli, Spitzbuben oder Blechkuchen, aber auch Fleisch vom eigenen Hof, selbstgemachte Teigwaren sowie Gemüse und Früchte aus der Region angeboten. «In all den Jahren ist das Sortiment immer grösser geworden», sagt Jolanda Egli. Dabei habe alles in sehr bescheidenem Rahmen angefangen. «Ich habe zwischen dem Waschen von Stoffwindeln damit begonnen, Zöpfe zu backen», erinnert sich die Mutter dreier mittlerweile erwachsenen Kindern. «Als ich dann in einem Hofladen in St.Gallen Spitzbuben gekauft und probiert habe, musste ich sagen ‹das kann ich besser›.» In ihrer Wohnküche hat Egli danach angefangen Guetsli und Teigwaren herzustellen. Als die Familie 2002 vom Stöckli ins Elternhaus umziehen konnte, hatte die leidenschaftliche Bäckerin auch endlich mehr Platz. Wo einst ein Teil des Stalls war, arbeiten heute neben der Chefin vier weitere Frauen.

An diesem Morgen – nachdem das Ruchbrot längst im Laden ist – kochen sie Himbeerkonfitüre, backen Amaretti, stechen Spitzbuben aus – oder fertigen eben das beliebte Magenbrot.

«Wir hier in der Backstube sind alle keine gelernten Fachkräfte. All das Wissen haben wir uns angeeignet. Wir hören aufeinander und lernen aus unseren Fehlern.»
Jolanda Egli

Mittlerweile ist der Teig fertig gebacken. Pinar Abdullatif nimmt die heissen Bleche aus dem Ofen und stellt sie auf dem Tisch ab. «Der Teig lässt sich leichter schneiden, solange er noch warm ist», erklärt sie und zerteilt das Gebäck in kleine Rechtecke. Nun fehlt nur noch der Guss, der dem Gebäck den schokoladigen Überzug und den charakteristischen Geschmack verleiht.

Übung macht die Meisterbäckerin

Die Produktion für den Hofladen beginnt schon früh morgens, teils sogar mitten in der Nacht. Um das Brot und die Zöpfe zu backen, steht Jolanda Egli am Freitagabend jeweils kurz vor Mitternacht in der Backstube, unter der Woche um 4 Uhr in der Früh. «Wir hier in der Backstube sind alle keine gelernten Fachkräfte», sagt sie. «All das Wissen haben wir uns angeeignet. Wir hören aufeinander und lernen aus unseren Fehlern.» Weil zum Beispiel das Brot im Sommer nie so gut wurde wie im Winter, hat Egli mit der Zeit herausgefunden, dass der Teig neben genügend Zeit eine gewisse Kälte braucht, um gut aufzugehen. Und auch der Zopf schmeckte nicht von Anfang an wie gewünscht. «Es hat mindestens ein Jahr gedauert, bis der Grossvater meinen Zopf für gut befunden hat», erinnert sich Egli.

Mittlerweile verarbeiten die Frauen pro Jahr 35 Tonnen Mehl, an einem Samstag allein entstehen 785 Zöpfe. Für die Qualitätssicherung ist die Chefin zuständig. «Ich probiere gerne während der Produktion, da würde ich sofort merken, wenn zum Beispiel eine Zutat fehlt oder etwas versalzen ist.»

Das begehrte Gebäck ist schnell weg

Kein Salz, aber umso mehr Zucker benötigt Pinar Abdullatif für die Glasur. Zusammen mit Schokolade und Wasser kocht sie den süssen Überzug des Magenbrot. Die Produktion des Chilbi-Klassikers befindet sich nun im Schlussspurt. Abdullatif giesst die heisse, dunkelbraune Masse über die Gebäckstücke und vermischt das Ganze mit den Händen. Nun muss das Magenbrot, ausgebreitet auf einem Blech, nur noch antrocknen, bevor es in Säckchen verpackt im Hofladen angeboten werden kann.

«Das Gebäck besteht ausschliesslich aus feinen Zutaten», erklärt Jolanda Egli, «aber es ist dadurch natürlich auch eine ‹Schoggibombe›.» Die Kunden des Hofladens scheinen sich ob den Kalorien nicht gross zu stören. «Oft fragen sie schon im Voraus, wann es dann wieder Magenbrot gebe.» Schliesslich sei die Saison von Anfang Oktober bis Ende November relativ kurz. Immer Dienstags verrät ein grosses Schild an der Strasse, dass das Gebäck im Laden auf Kundschaft wartet. Danach heisst es «es hät, solangs hät.»

Text: Martina Cantieni, Bilder: Balz Murer, Realisation: Michael Caplazi


Stolz präsentiert Jolanda Egli das abgepackte Magenbrot

Magenbrot aus Steinmaur

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