Liebevolle Betreuung für die tierische Fracht

Tierische Passagiere geniessen am Flughafen Zürich eine artgerechte Sonderbehandlung. Carmen Müller und ihre Arbeitskollegen kümmern sich mit viel Engagement um die lebende Fracht.

Text: Daniela Schenker
Bilder: Sibylle Meier
Realisation: Gregory von Ballmoos

Der Jagdhundmischling hat einen langen Flug hinter sich. Von Jakarta reiste er im Frachtraum einer Passagiermaschine erst nach Amsterdam und dann weiter nach Zürich. Bis seine Papiere überprüft sind und er einreisen darf, kümmern sich die Mitarbeitenden des Fachbereichs Tierpflege der Flughafen Zürich AG um den Vierbeiner.

Die Tierpfleger arbeiten im Frachtbereich, unweit der Piste 28. Die Räume sind zweckmässig eingerichtet und blitzsauber. Behutsam hieven Tierpflegerin Carmen Müller und ihr Kollege Manfred Astl die Transportbox des Hundes in den grossräumigen Zwinger. Hier dürfte der Vierbeiner die Pfoten vertreten. Doch auch die sanftesten Lockrufe nützen nichts. Der Hund möchte vorerst in der Box bleiben. «Diese Box ist vorbildlich», lobt die Tierpflegerin: «Sie ist geräumig, hat genug Wasser, am Deckel angebrachtes Futter und der Boden ist mit saugfähigem Material ausgelegt.» Nicht alle ihre Gäste geniessen derart komfortable Reisebedingungen. Regelmässig müssen Müller und ihre drei Kollegen Wasserbehälter ersetzen und hin und wieder eine zu kleine oder defekte Box austauschen.

«Eine Box muss geräumig sein, genug Wasser, am Deckel angebrachtes Futter haben und der Boden sollte mit saugfähigem Material ausgelegt sein.»

Carmen Müller, Tierpflegerin

In solchen Boxen werden die Tiere um die Welt geflogen.

In solchen Boxen werden die Tiere um die Welt geflogen.

Vorbereitung ist fast alles

«Es gibt klare Vorschriften der Internationalen Luftverkehrsvereinigung IATA für den Transport», sagt Müller. So gehören beispielsweise als gefährlich eingestufte Rassen in eine spezielle Holzbox mit verstärktem Metallgitter. «Das ist gut so», sagt die Tierpflegerin. Mehr als einmal hat sie erlebt, dass ein Hund - meist aus Langeweile - eine oder gar mehrere Plastikboxen durchgebissen hat.

Passiert ist ihr und ihren Kollegen aber noch nie etwas. «Reisen ist für ein Tier immer auch mit Stress verbunden», sagt Müller. Diesen könne man mit ein paar einfachen Tipps reduzieren. So sei es wichtig, das Tier an den Aufenthalt in der Box zu gewöhnen, indem man es darin füttert oder schlafen lässt. Auch ein getragenes Kleidungsstück des Besitzers kann beruhigend wirken. «Es muss ja nicht gleich der ganze Schrank sein», sagt Müller lachend. Sie hat kürzlich ein grosses Bündel Blusen und Hosen aus einer Hundebox gefischt. Einige Besitzer verabreichen dem Liebling Beruhigungsmittel. «Das sollte unbedingt mit dem Tierarzt besprochen werden», findet Müller. «Schliesslich weiss man nie, wie das Tier in luftiger Höhe darauf reagiert.»

«Reisen ist für ein Tier immer auch mit Stress verbunden.»

Über 10 tierische Sendungen pro Tag betreuen die Tierpfleger am Flughafen.

Über 10 tierische Sendungen pro Tag betreuen die Tierpfleger am Flughafen.

Rund 5000 Sendungen hat das vierköpfige Team, alles ausgebildete Tierpfleger, im vergangenen Jahr betreut und abgefertigt. Darunter waren 1200 Hunde und 800 Katzen. Hinzu kommen eine kaum zählbare Anzahl Zierfische, Insekten und Labormäuse sowie Reptilien und Vögel. Für grössere Tier oder Huftiere fehlt die Infrastruktur. Diese reisen in der Regel ab Frankfurt.

60 Prozent der Tiersendungen werden im Transit betreut, auf den Import und Export entfallen je 20 Prozent. Gearbeitet wird in vier Schichten von 5.45 Uhr bis 23.30 Uhr. Tiere, die aus Ländern ausserhalb des Schengenraums einreisen, betreut das Team in einem separaten Bereich. Sie unterstehen der Kontrolle des Grenztierärztlichen Dienstes.

Die Gründe für die Flugreise eines Tiers sind vielfältig. Neben kommerziellen, können dies Ferien oder ein Auslandaufenthalt des Halters sein. Nicht selten fliegt ein Tier auch vom Züchter zum neuen Besitzer. So wie beispielsweise der Langhaarschäfer-Welpe, der an diesem Tag auf die Reise nach Miami wartet.

«Schnuggi», so sein Pseudonym - Diskretion ist in der Tierbetreuung Pflicht - hat die Zeitungsschnitzel in seiner Box grosszügig im Zwinger verteilt. Trotz des Chaos: Müller und Astl sind ganz begeistert vom drolligen Kerlchen. Putzen müssen sie sowieso nach jedem Gast. «Hygiene ist bei uns oberstes Gebot», sagt Müller

«Schnuggi» hat die Zeitungsschnitzel in der ganzen Box verteilt.

«Schnuggi» hat die Zeitungsschnitzel in der ganzen Box verteilt.

Täglich Überraschungen

Abfertigungsfirmen holen und bringen die Tiere in die Tierpflege und zum Flugzeug. Ziel ist es, sie raschmöglichst an die Enddestination zu bringen. Es kann aber durchaus einmal vorkommen, dass ein Vierbeiner länger in der Tierbetreuung bleibt. Beispielsweise, weil ein wichtiges Dokument zur Ein- oder Weiterreise fehlt. «Tierbesitzer sollten sich unbedingt rechtzeitig um Reisedokumente, Einreisebestimmungen und Impfungen kümmern», rät Müller.

«Tierbesitzer sollten sich unbedingt rechtzeitig um Reisedokumente, Einreisebestimmungen und Impfungen kümmern.»

Das Wasser wird den Tieren absichtlich gefroren gegeben, so kann es beim Ver- und Entladen nicht verschütten.

Das Wasser wird den Tieren absichtlich gefroren gegeben, so kann es beim Ver- und Entladen nicht verschütten.

Annullierte Flüge, gestrandete Tiere: Jeder Tag hält für das Team Überraschungen bereit. «Egal, wer oder was kommt, wir alle sind mit viel Herzblut dabei und versuchen den Tieren den Aufenthalt und die Weiterreise so angenehm wie möglich zu machen», sagt Müller. Schmunzeln musste sie deshalb ob des besorgten Anrufs eines Tierbesitzers, der beklagte das Wasser seines Hundes sei noch halb gefroren am Ziel angekommen. «Wir geben das Wasser extra gefroren mit, damit es bei Zu- und Entladen der Boxen nicht verschüttet», erklärt Müller.

Astl wirft einen Blick auf die Uhr. Zeit, die Box des kleinen Schäferhundes für die Weiterreise vorzubereiten. Schon stehen die Frachtarbeiter vor der Tür. Bei aller Eile: Das Abschiedsritual der Zürcher Tierpfleger darf nicht fehlen. «Kein Haustier verlässt uns ohne Leckerli», sagt Müller und steckt dem Knäuel ein paar Hundeguetsli in die Box.

Ein Guetsli zum Schluss: Jedes Tier bekommt noch ein kleines Goodie auf den Weg.

Ein Guetsli zum Schluss: Jedes Tier bekommt noch ein kleines Goodie auf den Weg.

© Tamedia