Geräuschlos durch das Embrachertal

Bild: Paco Carrascosa

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Die neue Produktionsstätte in Embrach

Maserati, Lamborghini, Ferrari: Wer mit solchen Sportwagen durchs Unterland fegt, zieht garantiert manche Blicke auf sich. Die Aufmerksamkeit hat aber mit hundertausenden von Franken einen stolzen Preis. Dass es auch billiger geht, zeigt eine Fahrt mit dem eRod von Embrach nach Freienstein-Teufen. Interessiert blicken die Leute am Strassenrand auf das rund 40 000 Franken teure Elektrogefährt, das sich fast geräuschlos fortbewegt.
Produziert und verkauft wird das Elektrokart von der Firma Kyburz Switzerland AG. Bis April wurden am Hauptsitz in Freienstein-Teufen 60 Stück davon gebaut. Seit zwei Monaten befindet sich die eRod-Produktion in einer 1200 Quadratmeter grossen Halle in Embrach. Projektleiter Fabien Caroselli sagt: «Wir brauchten mehr Platz. In der neuen Werkstatt können wir bis zu hundert eRods pro Jahr bauen.» Die Halle dient aber auch als Kundenzentrum und Eventlocation.

Bild: Paco Carrascosa

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Eine Woche Bauzeit

Zwei Mechaniker arbeiten derzeit in Embrach. Einer von ihnen ist Andreas Schaffner. Um einen eRod zu bauen, benötigt er rund fünf Arbeitstage. Bei Laien könne dies um einiges länger dauern. «Einer unserer Kunden kaufte einen kompletten Bausatz bei uns und brauchte etwa ein halbes Jahr, um das Auto fertig zu bauen», erzählt Schaffner. Wesentlich schneller geht es, wenn die Kunden ihr Auto bei einem Bauseminar mithilfe der Mechaniker zusammensetzen. Ein einmaliges Erlebnis, bei welchem man ausserdem noch Geld sparen kann.
Laurence Nève ist zuständig für die Administration und das Marketing. Sie sagt: «Das Fertigfahrzeug erhalten unsere Kunden zum Preis von 42 500 Franken. Wenn sie es bei einem Seminar selbst zusammenbauen bezahlen sie noch 39 500 Franken.» Rund die Hälfte der Kunden würden dieses Angebot nutzen.
Der eRod ist kein Auto und fällt in die gleiche Kategorie wie Motorräder oder Quads. Das Elektrofahrzeug ist auf allen europäischen Strassen zugelassen. Eine Vollladung reicht für eine Strecke von 183 Kilometern, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 120 Kilometer pro Stunde. Anders als bei grösseren Elektroautos, lässt sich der eRod an einer normalen Steckdose laden.

«Das Fertigfahrzeug erhalten unsere Kunden zum Preis von 42 500 Franken. Wenn sie es bei einem Seminar selbst zusammenbauen bezahlen sie noch 39 500 Franken.»

Bild: Paco Carrascosa

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Ein eRod besteht aus 1666 Teilchen

Grosse Maschinen und Roboter sucht man vergebens. Bei der eRod-Produktion wird vieles von Hand gemacht. Der ausschlaggebende Grund dafür ist, dass es sich beim eRod nicht um eine Massenproduktion handelt, sondern um ein Nischenprodukt. «Der eRod bietet vor allem grossen Fahrspass. Für den Alltag eignet er sich aber weniger», sagt Projektleiter Caroselli. Deshalb sei es auch schwierig, grosse Stückzahlen zu verkaufen. Bisher haben lediglich 30 Privatkunden einen eRod gekauft. Die anderen Fahrzeuge werden vermietet oder von Unternehmen aus der Automobilbranche genutzt. «Wir sind gerade im Gespräch mit dem TCS. Dort würde man unsere Elektrofahrzeuge zu Schulungszwecken nutzen.» Ob die Zusammenarbeit zustande kommt, entscheide sich in den nächsten Wochen.

Alles begann mit einer Bachelor-Arbeit im Studienfach Automobiltechnik. Daniel Wenger und sein Kollege erarbeiteten ein Konzept für ein Elektrofahrzeug. Rund ein Jahr tüftelten die beiden rum, bis ein erster Prototyp entstanden ist. Die Idee kam bei der Unterländer Firma Kyburz Switzerland AG so gut an, dass der eRod in das Sortiment aufgenommen wurde.
Nun, drei Jahre später, erhielt das Elektrokart eine eigene Produktionsstätte im Embracher Industriegebiet. Dort sollen in Zukunft hundert Fahrzeuge pro Jahr gebaut werden. Daniel Wenger hat die Projektleitung inzwischen an Fabien Caroselli abgetreten. Dass beide aus der Westschweiz stammen, sei Zufall.

Puristisches Fahren

Die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs mit Heckantrieb liegt bei 120 Kilometern pro Stunde. Projektleiter Fabien Caroselli beschwichtigt: «Der eRod ist kein Auto und muss deshalb nur mit einer Töffnummer versehen werden.» Er sei vergleichbar mit einem Quad. Vor allem bei schönem Wetter lohnt es sich, mit dem eRod auf die Strasse zu gehen. Wenn es hingegen kalt ist oder regnet, könnte es unangenehm im ungedeckten Fahrzeug werden. Ist es aber so heiss wie in dieser Woche, gebe es soviele Miet-Anfragen, dass einige Kunden eine Absage erhalten würden.

Die eRods müssen nicht anhand von Crash-Tests geprüft werden, was viel Geld kosten würde. «Wir haben es freiwillig getestet und eines unserer Fahrzeuge bei einem Tempo von 64 Kilometern pro Stunde gegen eine Wand crashen lassen», sagt Projektleiter Fabien Caroselli. Fahrer und Beifahrer hätten den Unfall höchstwahrscheinlich nicht überlebt. Das wäre beim gleichen Unfall mit einem Motorrad oder Quad wohl auch nicht der Fall gewesen. Das kaputte Fahrzeug ist heute in der Werkstatt aufgehängt.

6500 Kyburz-Fahrzeuge für die Post

Die Firma Kyburz wurde vor 27 Jahren gegründet und hat sich von Beginn an, auf Elektrofahrzeuge spezialisiert. Bisher hat das Unternehmen mit Hauptsitz in Freienstein-Teufen über 16 000 von diesen verkauft.
Das bekannteste darunter dürfte der DXP sein. Auch wenn der Name wahrscheinlich nicht allen geläufig ist, haben alle schon einen DXP gesehen. Dabei handelt es sich nämlich um ein strombetriebenes Dreirad, das vor allem von der Post genutzt wird. Die automatische Parkbremse, der Rückwärtsgang sowie die Wendigkeit gewähren eine effiziente Zustellung von Briefen und Paketen.
Die Fahrzeuge von Kyburz werden neuerdings nach der EU-Norm produziert. Dadurch öffnet sich für das Unternehmen ein riesiger Markt. Zurzeit werden in Freienstein-Teufen zahlreiche DXPs für die finnische Post gebaut. Vor ein paar Wochen gingen die ersten Lieferungen in Richtung Norden Europas.
Ein weiteres Kyburz-Modell, welches sich grosser Beliebtheit erfreut ist das Elektromobil «Plus». Das vierrädrige Fahrzeug mit Kabine trotzt allen Wetterbedingungen. Der Kyburz «Plus» ist bis zu einer Geschwindigkeit von20 Kilometern pro Stunde führerscheinfrei zugelassen. Mit Mofa-Führerschein darf bis 30 Kilometer pro Stunde schnell gefahren werden.
Im Unternehmen sind 85 Mitarbeiter angestellt.

Bild: Paco Carrascosa

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© Tamedia