Esel lassen sich nicht manipulieren

ZU-Sommerserie «Mensch und Tier»

In der Arche Therapie Bülach können sich Klientinnen und Klienten freiwillig um die Tiere kümmern, die zur Therapie-Einrichtung gehören. Besonders wertvoll für eine tiergestützte Arbeit sind Esel.

Text: Barbara Gasser
Bilder: Johanna Bossart
Realisation: Michael Caplazi


Die vier Esel, die in der idyllischen Umgebung der Arche Therapie Bülach leben, sind zwischen anderthalb und zwei Jahre alt. «Sie sind noch jung und können deshalb erst an der Leine geführt und noch nicht für Parcours eingesetzt werden», erklärt Betriebsleiterin Doris Wilkens. Sie hat mit ihrem Fachwissen für soziale Integration das Konzept der tiergestützten Therapie mitentwickelt. «Seit vielen Jahren arbeiten wir hier mit Eseln.» Langjährige Suchtpatienten im Alter zwischen 25 und 50 Jahren wollen in der Arche Bülach von ihrer Abhängigkeit loskommen. Die Aufenthaltsdauer beträgt zwischen sechs Monaten und zweieinhalb Jahren.

Stall reinigen und Fell striegeln

Die 26-jährige Jenny und der drei Jahre ältere Yves wollten sich unbedingt um das Wohl von Speedy, Leo, Lord und Otti kümmern. Sie bezeichnet ihre Schützlinge als «eigenwillig und verfressen». Ihre Schicht dauert von 8.30 bis 11.45 Uhr. «Wir misten den Stall aus, striegeln die Tiere und geben ihnen Futter.» Am Montag stehe jeweils eine Grossreinigung auf dem Programm, dann müsse alles besonders gut geputzt werden.

Jenny empfindet den Umgang mit den vier Eseln entspannend. Sie gibt zu, dass sie oft keine Lust hatte, am Morgen aufzustehen. «Wenn ich aber weiss, dass die Tiere auf mich warten, habe ich kein Problem rauszugehen», sagt sie. Sie sei froh, dass sie in der Arche mit Tieren arbeiten könne. «Diese Aufgabe hat mich am meisten angesprochen.»




«Seit vielen Jahren arbeiten wir hier in der Arche Bülach mit Eseln für die tiergestützte Therapie.»

Doris Wilkens, Betriebsleiterin und Geschäftsleitung Arche Therapie Bülach

Die Pflege der Tiere gehört zu den täglichen Aufgaben von Yves und Jenny.

Die Pflege der Tiere gehört zu den täglichen Aufgaben von Yves und Jenny.

Das gilt auch für Yves. «Ich wollte unbedingt mit den Eseln arbeiten», sagt er. «Zum Glück war ein Platz frei.» Er mag es, Verantwortung zu übernehmen. «Oft gehe ich abends während meiner Freizeit nochmals im Stall vorbei um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.» Er hat begriffen, was es bedeutet, sich um Tiere zu kümmern, dass Zuverlässigkeit gefragt ist. «Wenn jemand, der im Hausdienst eingeteilt ist, etwas zu putzen vergisst, ist das nicht so schlimm. Tiere hingegen darf man nicht vernachlässigen.» Nachdem beide für die Esel Verantwortlichen den Stall geputzt und die Tiere gestriegelt haben, sagt Yves zu einer Kollegin: «Du kannst jetzt gerne Pause machen, ich bleibe hier und kümmere mich um alles.»

Der Garten ist ein weiterer Arbeitsbereich des Arche-Klienten. «Ich bin gerne draussen, deshalb gefallen mit meine Aufgaben hier sehr gut.» Er ist sich durchaus bewusst, dass es nicht leicht sein wird für ihn, wenn seine Zeit in der Bülacher Einrichtung um ist.

Mit der Therapeutin unterwegs

Die tiergestützte Therapie mit Eseln beschränkt sich nicht auf die Betreuung der Tiere. Doris Wilkens erklärt: «Jeweils am Freitag ist eine speziell ausgebildete Therapeutin mit den Klientinnen und Klienten und den Eseln unterwegs.» Dabei lasse sich sehr gut beobachten, wie die Kommunikation zwischen Mensch und Tier funktioniere. «Viele unserer Klientinnen und Klienten, die hier ihren Weg aus der Sucht finden wollen, haben eine Problem mit Nähe und Distanz», sagt die Leiterin der Institution.

«Über das Tier lässt sich diese Situation erleben. Er arbeitet aber gut mit, wenn Kameradschaft und Vertrauen stimmen.» Allerdings lasse er sich bei der Führung nicht manipulieren, was auf sein ruhiges Gemüt, seine klare Kommunikation und seine bedächtige Interaktion zurückzuführen sei. Da Tiere keine Werturteile abgeben, erleichtert der Bezug zu ihnen später die Kontaktaufnahme auch zu anderen Menschen.

Die positive Wirkung lasse sich auf allen Ebenen feststellen. Es sei nachgewiesen, dass sich sogar Muskelverspannungen lösten, das emotionale Wohlbefinden werde gefördert, das Selbstwertgefühlt gesteigert und Einsamkeit und Isolation würden aufgehoben.

Theorieteil ergänzt die Praxis in der Natur

Wer bei der tiergestützten Therapie mit den Eseln in der Arche Bülach mitmacht, muss sich an das Konzept halten. «Es geht nicht nur darum, die Esel zu betreuen und auszuführen», sagt Doris Wilkens. Auf den Spaziergängen der Klientinnen und Klienten mit den Eseln, beobachtet die Therapeutin die Interaktion zwischen den Frauen und Männern und den Tieren. Jenny weiss, dass sie ihr Tempo jenem des Esels anpassen muss während sie ihn an der Leine führt. «Anschliessend sprechen wir mit der Therapeutin darüber, wie es gelaufen ist.»

Mensch und Tier

Der heutige Artikel über Eseltherapie ist Teil 10 der Serie, in welcher der ZU sich mit der Beziehung von Mensch und Tier befasst. Hier geht es zu weiteren Folgen.

Jenny und Yves kümmern sich zuverlässig um die vier jungen Esel, die zur Einrichtung Arche Therapie Bülach gehören.

Jenny und Yves kümmern sich zuverlässig um die vier jungen Esel, die zur Einrichtung Arche Therapie Bülach gehören.

© Tamedia