Ein Heulen geht um in Neerach

Die ZU-Sommerserie «Mensch und Tier»

Im Leben von Esther und Manfred Maier geben acht Sibirische Huskys den Ton an – das weiss auch die gesamte Nachbarschaft. Ein Leben ohne die fidelen Tiere gibt es für die Familie längst nicht mehr.

Text: Sharon Saameli
Bilder: Sibylle Meier
Realisation: Michael Caplazi


Die «Warnung vor dem Hunde» ist das erste, was der Besucherin der Neeracher Familie Maier ins Auge springt. Als wäre eine solche Warnung nötig: Wer eine Hand ans Gartentor legt, einen Fuss in den Garten setzt, bleibt nie unentdeckt. Und Respekt heischen die acht herbeisprintenden, laut heulenden Huskys sowieso ein. «Sie können mir aber eins glauben», begrüsst Esther Maier die Journalistin, «würde ein Einbrecher hier sein Glück versuchen, wäre ich die, die beissen müsste.» Denn die Hunde seien ausserordentlich gutgelaunt und friedlich; gefährlich werden sie durch ihren Jagdtrieb nur anderen Tieren.

Wie ist es, das eigene Leben und Zuhause mit acht Sibirischen Huskys zu teilen, jenen Hunden, die dem Wolf genetisch noch am nächsten sind, die die Freiheit lieben und ihren eigenen Kopf haben? Wenn Esther Maier von ihren vierbeinigen Begleitern erzählt, dann tut sie dies selten ohne Schalk; sie weiss, dass ihre Geduld der Eigenwilligkeit und Ausdauer der Huskys in nichts nachstehen darf. «Sie waren alle in der Hundeschule», betont die 68-Jährige, «aber zu kontrollieren sind sie wie ein Sack Flöhe.»

Esther und Manfred Maier und sechs der insgesamt acht Sibirischen Huskys.

Esther und Manfred Maier und sechs der insgesamt acht Sibirischen Huskys.


Von einem zu acht Tieren

Dabei habe alles mit einem einzelnen Hund angefangen, im Jahr 1990, und Esther und Manfred Maier war klar, dass es nur ein Husky sein dürfe. Bald schon waren es drei: Hier kam noch ein Geschwister dazu, dort hat das Neeracher Paar einen Hund aus zweiter Hand übernommen – und plötzlich waren es acht Stück. «Es sind halt unglaublich schöne und fröhliche Tiere», sagt Manfred Maier, ebenfalls 68, «aber sie sind auch ein Trend. Sie überfordern ihre Halter, sobald sie einjährig sind und nicht genügend ausgepowert werden. Dann zerlegen sie auch mal das Sofa in Einzelteile.»

Als beide noch berufstätig waren, er als Bankier, sie als Floristin, hatte Esther Maier ihren Verkaufsladen direkt neben dem Haus – sie wollten die Tiere nicht allzu lang allein lassen. Nicht wenig Geld geht in die Ernährung der acht Hunde: Jährlich futtern sie um die 500 Kilo. Und wenn doch Ferien drinliegen? Dann kommen Torok, Kisha, Nuka, Ikkuma, Sam, Navajo, Malik und Yukon eben im grossräumigen Anhänger mit.

«Huskys sind auch ein Trend. Sie überfordern ihre Halter, sobald sie einjährig sind und nicht genügend ausgepowert werden. Dann zerlegen sie auch mal das Sofa in Einzelteile.»

Manfred Maier

Im Leben von Esther und Manfred Maier geben acht Sibirische Huskys den Ton an – das weiss auch die gesamte Nachbarschaft. Ein Leben ohne die fidelen Tiere gibt es für die Familie längst nicht mehr. Video: Sibylle Meier / mcp

So flauschig die Huskys auch aussehen mögen – sie waren und sind den Tschuktschen und den Inuit primär als Arbeitstiere treue Begleiter. Bei ausreichendem Training sind sie in der Lage, das Neunfache ihres eigenen Körpergewichts zu ziehen. Diese Energie will das kräftige Tier auch loswerden – selbst im Sommer. Es sei ein Mythos, dass Huskys die Wärme nicht ertragen würden, sagt Manfred Maier. «Da, wo sie herkommen, ist es im Sommer auch 30 Grad heiss.» Die Beschäftigung der Tiere sei aber zeitintensiv und gerade im Sommer nichts für Langschläfer. Fast jeden Morgen gegen halb fünf in der Früh spannen die Maiers ihre Hunde vor den Wagen oder das Velo und drehen eine ausgiebige Runde. Tagsüber erfrischen sich die Energiebündel dann im Gartenteich, toben sich auf dem 700 Quadratmeter grossen Umlauf aus («dann will man ihnen aus dem Weg gehen») oder ruhen sich aus. Kommt mal einer der Pappenheimer zu kurz, habe jeder seine eigene Art, um Aufmerksamkeit zu buhlen – sei es mit aufdringlichem Heulen oder auch darin, den Gartenrosen die Köpfe abzubeissen.

So richtig blühen die aufgeweckten Vierbeiner aber doch im Schnee auf. Jedes Jahr nimmt das Rudel unter Führung des «Mushers» Manfred Maier an Hundeschlittenrennen teil. Allein diesen Winter waren es sieben an der Zahl, darunter in Studen SZ, Splügen, Lenk oder Kandersteg. Ganz vorne am Schlitten laufen die achtjährige Nuka und der knapp dreijährige Malik, weil sie am besten auf die Kommandos hören. «Aber auch die haben ihren eigenen Grind», weiss Manfred Maier.

Im Winter sind die Maier-Huskys so richtig in ihrem Element. Hier während eines Einsatzes in Studen SZ (Bild: PD).

Im Winter sind die Maier-Huskys so richtig in ihrem Element. Hier während eines Einsatzes in Studen SZ (Bild: PD).


Doch lieber zu den Hasen

So seien während des Rennens in Studen SZ plötzlich alle Tiere im Gespann auf einem Miststock gelandet, weil der Hasenstall dahinter viel interessanter war als das Rennen. «Ich hatte Mühe, sie auf den Trail zurückzuführen», sagt Manfred Maier und lacht. «Erst als ich den Rüden Ikkuma nach vorne genommen haben, konnten wir weiterrennen. Aber eine halbe Stunde Zeit haben wir damit sicher verloren.»

Hauptsächlich gehe es den Maiers aber sowieso um den Plausch, um das Zusammentreffen mit anderen Mushern, Züchterinnen und Züchtern. Hier wird ein weiterer Unterschied deutlich: Das Neeracher Ehepaar verzichtet sowohl auf Zwingerhaltung als auch auf Züchtung.«Wir müssten die Kleinen ja irgendwann weggeben», begründet dies Esther Maier, «und es könnte sie ja sowieso niemand besser erziehen als wir.»

© Tamedia