Die älteste Schildkröte
ist 125 Jahre alt

Vier männliche und eine weibliche Schildkröte verbringen ihren Lebensabend in Rümlang im Tierheim der Helena Frey Stiftung für Tierschutz. Es ist gut möglich, dass diese Tiere ihre 25-jährige Pflegerin Jennifer Brienza überleben.

In einem Aussengehege im Tierheim Rümlang krabbelt die Schildkröte Morla durchs Gras.

Das Tier lässt sich weder von Hühnern, Gänsen oder Enten stören, die ebenfalls in diesem kleinen Park leben. Auch ein paar Kaninchen verstecken sich unter Steinvorsprüngen und in hohlen Baumstämmen. Und alle kommen bestens miteinander aus.

Das Schildkrötenmännchen Morla mit Jahrgang 1894 lebt seit sieben Jahren Auf dem Areal der Stiftung für Tierschutz. «Vier Generationen hatten sich vorher privat um diese maurische Landschildkröte gekümmert», erklärt Jennifer Brienza. «Irgendwann war das nicht mehr möglich. Deshalb ist Morla nun bei uns.» 

«Schon vier Generationen haben sich um diese maurische Landschildkröte gekümmert»

Die 125-jährige männliche Schildkröte Morla teilt sich das Aussengehege im Tierheim in Rümlang mit anderen Tieren.

Die 125-jährige männliche Schildkröte Morla teilt sich das Aussengehege im Tierheim in Rümlang mit anderen Tieren.

Haltung ist anspruchsvoller als es scheint

Die 25-jährige Tierpflegerin beschäftigt sich seit ihrer Kindheit mit diesen Tieren. «Ausschlaggebend war wohl meine Faszination für Dinosaurier», sagt sie lachend. Heute hält sie selber bei sich zu Hause fünf Schildkräten. «Die erste kaufte ich im Zoofachhandel als ich 14 Jahre alt war.» Drei weitere hat sie aus dem Tierheim in Rümlang zu sich genommen, und die fünfte stammt aus einem anderen Tierheim.

Die Fachfrau weiss, worauf es bei der Haltung von Schildkröten ankommt. «Wichtig ist das richtige Futter. Es besteht vor allem aus Wiesenkräutern, etwas Heu und ab und zu darf es auch mal eine Beere sein», sagt sie. Bei falscher Ernährung könne es zu Verfettung oder Mangelscheinungen kommen, was negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Skeletts und der Organe hat.

Ein Terrarium als Aufenthaltsort eigne sich nur bedingt, weil Wärme und UV-Lampen niemals die für die Schildkröten enorm wichtige Sonne ersetzen können. Zu wenig Sonnenlicht verursache ebenso Mangelerscheinungen, an denen die Tiere zugrunde geheh können. «Zudem sind Schildkröten schneller unterwegs als viele denken, und sie können sehr gut Klettern.»

« Schildkröten sind schneller unterwegs als viele denken und können sehr gut Klettern.»

Der über 50-jährige Rocky ist schnell unterwegs und geht gern auf Entdeckungstour.

Der über 50-jährige Rocky ist schnell unterwegs und geht gern auf Entdeckungstour.

Ein gut strukturiertes und ausbruchsicheres Freilandgehege mit Schutzhaus, im besten Fall mit Überwinterungsmöglichkeit, ist die ideale Lösung für die gepanzerten Tiere.

Wichtig für die Schildkröten ist, dass sie ihren Winterschlaf ungestört an einem geeigneten Ort halten können. Ungefähr ab Ende September, wenn die Temperaturen fallen, brauchen sie eine am besten konstant kühle und genügend feuchte Rückzugsmöglichkeit. «Manche Leute legen sie in die Gemüseschublade im Kühlschrank», sagt Brienza. Diese sei aber nur bedingt geeignet, weil die Gefahr des Austrocknens besteht.

In der Stiftung in Rümlang kümmern sich die Angestellten um die Winterschlaf-Vorbereitung für Morla, den über 50 Jahre alten Rocky, den 10-jährigen Pfüdi, Fritzli, der etwa 20-jährig  und Rosa, der einzigen weiblichen Schildkröte, die auch schon über 80 Jahre alt ist. «Ungefähr Ende September, Anfang Oktober machen wir sie für den Winterschlaf bereit.» Auch dieses Prozedere sei Privatpersonen, die Schildkröten halten, oft zu wenig bewusst.



Der heutige Artikel über Schildkröten ist Teil 13 der Serie, in welcher der ZU sich mit der Beziehung von Mensch und Tier befasst. Alle Folgen finden Sie hier.

Viel Vorbereitung für den Winterschlaf

Im Tierheim werden die Tiere zuerst in grossen Bottichen gebadet. Das hilft, dass die wechselwarmen Exemplare den Darm entleeren. Während den folgenden Monaten bis etwa im April, wenn die Temperaturen wieder bis auf 15 Grad klettern, fressen die Schildkröten nichts mehr und fahren stetig ihren Stoffwechsel herunter. «Bei uns überwintern sie in grossen Kisten im Keller, die mit einem speziellen Granulat ausgelegt sind, welches die Feuchtigkeit speichert.

Darüber kommen Lagen von ungedüngter Erde, Holzschnitzel und Buchenlaub», erklärt Brienza. Die ersten paar Wochen finden regelmässig Kontrollen über den Zustand der Tiere statt. Die Tierpflegerin weiss, dass sich frei lebende Schildkröten über den Winter an einen geschützten Ort zurückziehen und sich tief in die Erde eingraben.

Rosa lebt im Rümlanger Tierheim mit zwei männlichen Schildkröten zusammen. Gemäss der Tierpflegerin muss man aber schauen, dass sie von diesen nicht zu sehr bedrängt wird. «Diese Tiere zeigen ein aggressives Paarungsverhalten. Wir setzen das Weibchen deshalb immer auf die andere Seite der Parkanlage, weg von den Männschen.»

Einmal begattet, können die Weibchen die Spermien speichern und auch Jahre später noch befruchtete Eier legen. Das sei allerdings nicht das Ziel. Brienza erklärt, dass es zu viele Schildkröten gebe in der Schweiz und und alle Auffangstationen bereits überfüllt sind. «An dieses Verbot halten wir uns natürlich auch. Wir ermöglichen den Tieren hier aber einen lebenslangen artgerechten Aufenthalt.»



Dass die Tiere artgerecht gefüttert werden, ist wichtig. Ansonsten können sie ernsthaft erkranken.

Das einzige Weibchen des Tierheims heisst Rosa.

Das einzige Weibchen des Tierheims heisst Rosa.

Tierpflegerin kümmert sich nicht nur um eine Gattung

Obwohl Jennifer Brienza zu den Schildkröten eine besondere Beziehung hat, kümmert sie sich auch um viele andere Tiere. Sie hängt an ihnen und ist traurig, wenn eines stirbt. Auch die teilweise erschütternden Situationen, die zu einem Leben im Tierheim führen, gehen ihr nahe. Aber in erster Linie hat sie grosse Freude an ihrem Beruf.

«Wir teilen hier die Arbeit auf und ergänzen uns im Team.» Sie selber übernimmt gern Verantwortung und hat auch Spass an organisatorischen Aufgaben. «Den Kontakt zu unserer Kundschaft mag ich ebenfalls. Ich gebe gern Auskunft auf Fragen und berate die Leute, wenn sie unsicher sind im Umgang mit ihrem Haustier. Das bringt Abwechslung in den Berufsalltag.»



Noch ist es für Pfüdi draussen warm genug. Doch schon bald beginnen die Vorbereitungen für den Winterschlaf.

Neben Schildkröten leben im Tierheim von Rümlang noch zahlreiche weitere Tierarten.

Neben Schildkröten leben im Tierheim von Rümlang noch zahlreiche weitere Tierarten.

Text:Barbara Gasser
Fotos:Johanna Bossart
Umsetzung:Marco Huwyler
© Tamedia