«Der Glaube ist für mich nicht nur in der Kirche, er ist überall»




Brauchtum und Religion

Angela Simantirakis küsst beim Betreten der Kirche die Ikone des heiligenDimitrios.

Angela Simantirakis küsst beim Betreten der Kirche die Ikone des heiligenDimitrios.

Das Ostern der christlich-orthodoxen Glaubensgemeinschaft ist dieses Jahr eine Woche nach dem Fest der Protestanten und Katholiken. Aus diesem Anlass finden zwischen dem 21. und 28. April in der Kirche Agios Dimitrios in Zürich gleich 13 Gottesdienste statt. Die Klotenerin Angela Simantirakis versucht, an so vielen wie möglich teilzunehmen.

Text: Katja Büchi
Bilder: Sibylle Meier
Realisation: Michael Caplazi


Während für viele Ostern schon wieder Geschichte ist, hat für Angela Simantirakis aus Kloten vergangenen Montag die Karwoche gerade erst begonnen (siehe Infobox unten links). Sie besucht die Abendmesse in der griechisch-orthodoxen Kirche in Zürich – es ist die einzige in der Region. Das imposante Gebäude liegt oberhalb der Limmat an der Rousseaustrasse und besticht äusserlich durch die grosse Kuppel, die von einem Kreuz geschmückt wird. Die Unterländerin mit griechischen Wurzeln betritt die Kirche, bekreuzigt sich, geht direkt auf die Ikone des heiligen Dimitrios zu – die Kirche ist nach ihm benannt – und küsst diese.

Das Verehren von Heiligenbildern ist ein wichtiger Bestandteil des orthodoxen Glaubens. Angela Simantirakis begrüsst einige Bekannte und bewegt sich vom Eingangsbereich in Richtung Kircheninnenraum, wo die Farben Rot und Gold dominieren. Verschnörkelungen zieren die Bilder an den Wänden, an der sehr hohen, runden Decke prangt ein grosses Jesusgemälde.

Die Messe auf Altgriechisch

Pünktlich um 19 Uhr eröffnet der Chor, der an diesem Tag aus vier Männern und vier Frauen besteht, die Messe. An anderen Tagen seien es mehr als doppelt so viele, einige seien gerade in den Ferien in Griechenland, sagt Emmanuel Simandirakis, Pfarrer der Kirchgemeinde Agios Dimitrios. Er stammt, wie auch Angela Simantirakis, aus Kreta. «Wir sind entfernt verwandt und haben ursprünglich den gleichen Nachnamen, der jedoch in der Übersetzung leicht verändert wurde», erklärt sie. Der Grieche lebt seit 1967 in Zürich und ist damit amtsälteste Pfarrer aller östlichen Kirchen in der Gegend.

Zu Beginn des Gottesdienstes sind etwa 40 Gemeindemitglieder anwesend, im Lauf der Stunde stossen immer mehr dazu, bis zum Schluss fast doppelt so viele da sind. Sie kommen rein, bekreuzigen sich, küssen die Jesus-Ikone. Ein paar zünden noch eine Kerze an, bevor sie sich einen Platz in den Reihen suchen. Die Messe ist eine sehr ungezwungene Angelegenheit, ein Kommen und Gehen. Die persönliche Verbindung zum Glauben scheint im Zentrum zu stehen. Während sich einige herausgeputzt haben, tragen andere Alltagskleidung.

Das Thema der Predigt, die auf Altgriechisch abgehalten wird, ist der Weg von Jesus Christus zum Kreuz, wie der Pfarrer im Nachhinein erklärt. «Wir wollen die Texte nicht übersetzen, weil dann die Melodie der Sprache verloren geht», sagt er.




«Wir wollen die Texte nicht übersetzen, weil dann die Melodie der Sprache verloren geht.»

Emmanuel Simandirakis, Pfarrer der Kirchgemeinde Agios Dimitrios

Vier Männern und vier Frauen bilden den Chor. An anderen Tagen sind es doppelt so viele.

Vier Männern und vier Frauen bilden den Chor. An anderen Tagen sind es doppelt so viele.

Angela Simantirakis ist 1990 von Griechenland nach Kloten gezogen. Gekommen ist sie der Liebe wegen. Ihren Mann Andreas Simantirakis, den sie auf Kreta kennengelernt hat, ebenfalls griechisch stämmig, ist in der Schweiz aufgewachsen. Gemeinsam haben sie zwei Kinder, Sohn Theo ist 17, Tochter Emmanuela 24 Jahre alt. «Ich habe mich hier von Anfang an sehr willkommen und herzlich aufgenommen gefühlt», betont die Bankerin.

Doch natürlich begleiten sie nebst der Sprache – die Familie spricht zusammen immer griechisch – und der Religion noch andere Dinge aus ihrer Herkunft. Zum einen das Essen: Bei Tzatziki und Moussaka kommt sie ins Schwärmen. Zum anderen auch Traditionen wie etwa der Namenstag, der in Griechenland wie der Geburtstag gross gefeiert wird. «Wir verpassen keine Gelegenheit, für ein Fest», sagt sie und lacht. In Griechenland sei es üblich, an diesem Tag alle Lichter im Haus brennen zu lassen um zu zeigen, dass man den Namenstag feiert.

Mit drei Fingern bekreuzigen

«Ich bin orthodox aufgewachsen, ich kenne nichts anderes und ich brauche nichts anderes», sagt Angela Simantirakis. Sie habe sich die Religion nicht ausgewählt, sie sei hineingeboren. Besonders wichtig daran ist ihr das Glaubensbekenntnis, das die Gleichwertigkeit von Gott, Jesus und dem heiligen Geist postuliert. «Um dies zu unterstreichen, bekreuzigen wir uns auch mit drei Fingern», erklärt die 52-Jährige. Auch wenn die sie während des Jahres nicht jede Woche in die Kirche geht, sei Ostern ein sehr wichtiger Feiertag. «In der Woche davor versuche ich jeden Tag mit meiner Familie zusammen hinzugehen», berichtet die Klotenerin. In dieser kurzen Zeit finden insgesamt 13 Gottesdienste statt. Am heutigen Karfreitag dreht sich die Messe um den Epitaphios, ein symbolisches Grab aus Holz.

Mädchen und Frauen schmücken den liturgischen Gegenstand, der den Ort des Begräbnisses von Jesus repräsentiert, mit Blumen. Anschliessend wird er um die Kirche herumgetragen. «Wir erwarten dafür etwa 4000 Leute, die Polizei sperrt sogar die Strasse ab», sagt Angela Simantirakis. Nach der Messe am Samstagabend, die erst kurz vor Mitternacht beginnt und in der die Auferstehung gefeiert wird, steht ein Essen mit der Familie an.

«Traditonell gibt es dann Magiritsa, eine griechische Suppe. Man steigt mit etwas Leichtem ein, da dann gerade die Fastenzeit zu Ende geht.» Angela Simantirakis fastet zwar selbst nicht, doch sie isst in der Karwoche kein Fleisch. Ihre Schwiegermutter Maria hingegen verzichtet während 40 Tagen auf tierische Produkte. Den Abschluss der Woche bildet schliesslich das grosse Osterfest im Kreise der Familie im Anschluss an die Messe am Sonntagmorgen.

Infobox

Die drittgrösste christliche Konfession Ostern wird am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond gefeiert. Da die orthodoxen Christen das Datum nach dem alten julianischen Kalender und nicht wie die Katholiken und Protestanten nach dem neueren gregorianischen berechnen, findet es meist an einem anderen Datum statt. Auch ist es für die Orthodoxen wichtig, dass Ostern nicht mit dem jüdischen Pessah-Fest zusammenfällt, da Jesus erst danach auferstanden ist.

Ein Zweig des orthodoxen Christentums ist der griechische. In Griechenland ist es die Staatsreligion, der 97 Prozent der Bevölkerung angehören. In der Schweiz sind nach Angaben des Bundesamts für Statistik lediglich 2,4 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner christlich-orthodox oder christlich-altorientalisch. Hierzulande machen die Katholiken mit über 36 Prozent die grösste Religionsgruppe aus, rund 24 Prozent sind evangelisch-reformiert. Weltweit bilden die orthodoxen Christen die drittgrösste christliche Konfession, gemäss unterschiedlichen Schätzungen gehören ihr zwischen 150 und 250 Millionen Menschen an.

«Orthodox» bedeutet «rechtgläubig» oder auch «strenggläubig». Die christlich- orthodoxe Kirche unterscheidet sich in etlichen Hinsichten von den anderen Konfessionen. Dazu gehört unteranderem, dass sie im Gegensatz zu den Katholiken den Papst als Oberhaupt der Kirche sowie den Glauben ans Fegefeuer ablehnt. Im Gegensatz zu den Protestanten spielt bei den Orthodoxen dafür die Ikonen- und Heiligenverehrung eine wichtige Rolle. Überhaupt sind symbolische Handlungen in der religiösen Praxis von grosser Bedeutung. Dazu zählen Kerzen, Weihrauch und Musik, und eben auch der Epitaphios an Ostern.

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